Kultur
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Rap und Feminismus
„Schmeck mein Blut. Jeden Tropfen meiner Wut“
Von Matthieu Praun
Veröffentlicht am 03.04.2019Lesedauer: 4 Minuten
Die Künstlerin Ebow ist die vielleicht erste wirklich gute politische Rapperin Deutschlands. Ihr Album „K4L“ steht für migrantische Selbstbehauptung, Feminismus – und für Hoffnung auf noch mehr davon.
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Berlins selbst ernannte neue Marlene Dietrich kommt aus München, studierte in Wien und überrollt uns bald alle. Ebru Düzgün macht schon seit Jahren Musik, heute kriegt sie endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Das liegt auch an den Themen, die sie besetzt: kulturelle Aneignung, Migration, Gender. Ihr neues Album trifft mitten rein in aktuelle Debatten. Und mitten rein in die Deutschrap-Szene! „K4L“ ist kein vertonter Beitrag zu einer identitätspolitischen Debatte, sondern vielleicht der Vorbote einer neuen Generation von Künstlerinnen und Künstlern. „K4L“ steht für „Kanacks for Life“, und damit für eine migrantische Selbstbehauptung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft – wir sollten schwimmen lernen.
Mach nicht auf Kanake, Junge!
Ebow lädt uns ein in ihre Kanak-World, stellt dabei aber klar: wir sind dort nur zu Besuch. Nur gucken, nicht anfassen, das sagt auch Hengameh Yaghoobifarah, Co-Autorin des heiß diskutierten Buches „Eure Heimat ist unser Albtraum“. Sie kommt auf dem Album zu Wort und richtet sich in ihrer Ansage „an alle Almans und Cis-Heten, die sich migrantische, nicht weiße und queere Ästhetiken aneignen.“ Das komplexe Thema der kulturellen Aneignung wird aufgegriffen und in das Rap-Game hineingetragen. Wer darf den türkischen Fluch „Amina koyim“ benutzen, fragt Ebow in dem Song „AMK“? Wer darf beim Barbier sitzen, einen Cay trinken und nach dem Haarschnitt von Haftbefehl fragen? Die Frage tut weh, ist aber wichtig. Für Ebow ist die Antwort klar: Mach nicht auf Kanake, Junge.
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Migration ist keine Mode, kein Lifestyle und kein Accessoire, das man beliebig an- und ausziehen kann wie einen Gucci-Trainingsanzug vom Basar. Wer sich trendbewusst dieser Ästhetik bedient, fetischisiert sie und verkennt die Lebensrealität von Minderheiten in Deutschland: „Erdogan und ich sind sicher keine Friends/ trotzdem sitze ich mit Özil immer noch im selben Benz/ Egal ob arme Kanaken oder reiche Kanaken/ Wir sind und bleiben nun einmal die gleichen Kanaken.“ Ebow will uns nicht unterhalten, ihre Kultur steht nicht zum Verkauf.
Gerade im Deutschrap wird migrantischer Habitus häufig von der Mehrheitsgesellschaft übernommen. Ebow zeigt, dass hinter „habibi“, „amk“ und Falafel echte Menschen und ihre Geschichten stehen. Und die sind oft von Leid geprägt. Im Video zum titelgebenden Song „K4L“ gibt Ebow eben diesen Geschichten ein Gesicht, feiert insbesondere die migrantischen Biografien von Frauen und macht sich zu ihrer Fürsprecherin: „In mir drin stecken Tausende Leben/ Hab Flure geputzt, Häuser gebaut, wurde ausgenutzt, ausgesaugt/ Ihr habt nie an mich geglaubt, wir waren immer, was ihr braucht.“
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Ertrink in meiner Flut
Ebow prangert nicht nur Missstände in der Gesellschaft, sondern auch in ihrer Szene an, und macht deutlich, wie wichtig weibliche Solidarität unter den wenigen Rapperinnen ist: „Ich streite mich mit keiner Sis, die im Biz ist/ Doch diese Jungs in deiner Crew behandeln dich nur gut, solang du Hits bringst.“ Ebows Antwort auf männliche Vorherrschaft im Rap wie im Leben: „Schwestern sind die Gang.“ Dass Weiblichkeit auch den obligatorischen Phallusreim schlägt, beweist Ebow eindrucksvoll, indem sie nebenbei endgültig die Frage nach dem weiblichen Gegenstück zum Deutschrap-Klassiker „Lutsch meinen Schwanz“ beantwortet: „Schmeck mein Blut“! Darin steckt die ganze Kraft des Albums, die ganze Wut einer Künstlerin, die gekommen ist um sich zu holen, was ihr gehört. „Schmeck mein Blut/ Jeden Tropfen meiner Wut/ Ertrink in meiner Flut.“
Ebow liefert den lang ersehnten guten politischen Rap, der Deutschland fehlte. Lange gab es auf Deutsch vor allem sehr mittelmäßigen und furchtbar langweiligen Conscious-Rap, jetzt gibt es Ebow. Sie liefert den Soundtrack zu den identitätspolitischen Debatten unserer Zeit und trägt sie in die Szene hinein.
Dabei tut sie etwas, an das wir uns vielleicht gewöhnen werden müssen: Sie meistert den Spagat zwischen vermeintlich unkorrektem und daher irrelevantem Rap und politischem Diskurs. Ebow wird nicht so leicht zu verdrängen sein wie ihre Vorgänger.
Vielleicht leitet sie eine Zeit ein, in der die Forderungen nach Teilhabe nicht mehr mit dem Argument stumm gestellt werden können, das sei alles frauenverachtendes Gepöbel. Denn das ist es längst nicht mehr. Die Enkelinnen der Gastarbeiter haben studiert, und sie machen Kunst. Wir werden uns nach Ebows Blut die Finger lecken.